Bremen: City of Space, City of Wings

Das kleinste Bundesland ist ein wahres Schwergewicht der Luft- und Raumfahrt: Bremen ist Deutschlands Raumfahrtstadt Nummer eins und eines der führenden Zentren der zivilen und der militärischen Luftfahrtindustrie in Europa.

Was ist das Besondere an Bremen?

Volker Thum, BDLI-Hauptgeschäftsführer und früherer Werksleiter von Airbus Bremen: „Den Luft- und Raumfahrtstandort Bremen zeichnet eine einmalige Konzentration und Symbiose von Industrie, Politik, Wissenschaft und Forschung aus. Das Zusammenspiel dieser Akteure ist einmalig und vorbildlich. Sie bilden die Basis für die Stärke des Standortes Bremen und bieten ihm hervorragende Perspektiven“.

Bremer Rathaus, St. Petri Dom und Gebäude der Bremischen Bürgerschaft (Foto: Jürgen Howaldt)

Das Erfolgsrezept: Mit High-Tech an die Weltspitze. Die 12.000 in der Branche beschäftigten Bremerinnen und Bremer entwickeln und fertigen modernste Satelliten und Trägerraketen und stellen mit anspruchsvollen Technologien sicher, dass sämtliche Airbus-Flugzeuge abheben können. Und was die Wenigsten wissen: Der Hubschrauber wurde von einem bremischen Flugpionier erfunden.

André Walter, Standortleiter von Airbus in Bremen

Europäisches Kompetenzzentrum für Raumfahrt, Trägerraketen und Weltraumrobotik

Größter Vertreter der Raumfahrtbranche am Standort Bremen ist Airbus Defence and Space, die Raumfahrt- und Verteidigungssparte der Airbus Group, sowie Airbus-Safran Launchers. Bremen ist das Europäische Kompetenzzentrum des Konzerns für astronautische Raumfahrt, Oberstufen für Trägerraketen und Weltraumrobotik. Der traditionsreiche Standort im Norden Deutschlands ist mit seinen rund 1.000 hochqualifizierten Mitarbeitern verantwortlich für die wesentlichen europäischen Beiträge zur Internationalen Raumstation ISS, wie das Weltraumlabor Columbus. Darüber hinaus verantwortet Bremen den Betrieb der europäischen Elemente der Raumstation.

Zum ersten Mal in der Geschichte der Raumfahrt überhaupt sind die Europäer verantwortlich für ein missionskritisches Modul einer NASA-Mission. Airbus Defence and Space verantwortet  im Auftrag der ESA die Entwicklung und den Bau des Antriebsmoduls für das neue amerikanische Orion-Programm. Damit sollen Astronauten zukünftig zum Mond und eines Tages vielleicht sogar zum Mars  fliegen.

Besonders wichtig für die Zukunft der europäischen Raumfahrt: Bremen ist das industrielle Zentrum für Raumtransport in Deutschland und wichtigster deutscher Ariane-Standort. Hier wird die Oberstufe der Ariane 5 Trägerrakete – Weltmarktführer für kommerziellen Satellitentransport – gebaut und weiterentwickelt. Auch die Oberstufe der neuen, 62 Meter hohen Ariane 6 wird in Bremen entwickelt und künftig gefertigt – ein weiterer, bedeutender Milliarden-Auftrag der Europäischen Weltraumagentur ESA, der nach Norddeutschland geht. Verantwortlicher Partner ist das im Januar 2015 gegründete deutsch-französische Joint Venture Airbus Safran Launchers.

Ariane 6 sichert Europa und Deutschland den unabhängigen Zugang zum Weltraum und soll ab 2020 erstmals fliegen. Mit einem Preis von etwa 50% der heutigen Ariane 5 soll sie die europäische und deutsche Führung in diesem strategischen Zukunftsmarkt sichern. Bislang gab es 73 erfolgreiche Ariane-Starts in Folge, mit denen Satelliten ins All befördert wurden.

Familienunternehmen OHB fertigt europäische Galileo-Satelliten und mehr

In der ersten "Weltraum-Liga" spielt auch der europäische Raumfahrt- und Technologiekonzern OHB SE. Das erfolgreiche Bremer Familienunternehmen gehört zu den Raumfahrtpionieren und ist seit Jahren auf Expansionskurs. Unter dem Dach des börsennotierten Unternehmens werden u.a. die Galileo-Satelliten für das europäische Satelliten-Navigationssystem entwickelt, gebaut und getestet. Von den insgesamt 22 Galileo-Satelliten, die OHB produziert, befinden sich bereits zehn im Weltall; und Ende des Jahres werden erstmals 4 Galileo-Satelliten auf einen Streich auf einer europäischen Ariane 5 Trägerrakete ins All geschickt.

Eines der wichtigsten Anliegen der Raumfahrtfamilie Fuchs, nämlich die Raumfahrt  kostengünstiger zu machen, ist bis heute ein eherner Grundsatz bei OHB. Damit konnte das Unternehmen schon viele Wettbewerbe für sich entscheiden. Beim milliardenschweren Meteosat-Programm für Wettersatelliten ist OHB der starke Partner an der Seite von Thales Alenia Space. Gemeinsam entwickelt und baut das Konsortium die  Europäischen Wettersatelliten der 3. Generation (MTG: Meteosat Third Generation). Spätestens seit den Aufträgen für Galileo, MTG und SARah (das Nachfolgesystem zur Weltraumaufklärung der Bundeswehr) ist OHB auch nicht mehr der kleine Mittelständler, als der zu sein die Firma bis zum heutigen Tage gerne kokettiert, sondern gehört inzwischen zu dem erlauchten Kreis der sog. LSI (Large System Integrator) und damit zu den 3 großen Raumfahrt-Systemhäusern in Europa. 2014 überschritt die Mitarbeiter-Zahl die 2.000er-Marke und der Jahresumsatz nähert sich langsam aber sicher der Milliarde.

Am 16. Oktober wird die ExoMars-Sonde der sog. Spurengas-Orbiter (TGO) am Mars ankommen, am 19. Oktober soll das ExoMars-Landemodul Schiaparelli auf dem roten Planeten aufsetzen. Kernstück der europäischen Mission ist der TGO, dessen Kernmodul von OHB entwickelt und gefertigt wurde. Der TGO ist Träger für das Eintritts- und Landemodul und soll die Marsatmosphäre auf Spurengase untersuchen. Die Forscher erhoffen sich dadurch Aufschlüsse darüber, ob es möglicherweise einmal Leben auf dem Mars gegeben hat oder ob unter der Marsoberfläche vielleicht sogar noch Leben existiert, sowie wichtige Anhaltspunkte für künftige Marsmissionen. Kein Wunder also, dass OHB im Augenblick vor allem durch seine Beiträge zum europäisch-russischen ExoMars-Programm, mit den Missionen in 2016 und 2020 sichtbar ist. Innerhalb des europäischen Industrie-Konsortiums übernahm OHB mit der Entwicklung des Kernmoduls für den TGO die Systemverantwortung für das Antriebssystem und das mechanische- und thermische Subsystem. In der ExoMars-Mission 2020 soll OHB den sogenannten Carrier bauen, der den Rover zum Mars bringen wird. Darüber hinaus ist OHB für zahleiche Subsysteme des Rovers verantwortlich u.a. das Probenaufbereitungs- und Verteilsystem im inneren des Mars-Rovers.

Aber das ist noch lange nicht alles - derzeit laufen zahlreiche weitere spannende Projekte bei OHB. Dazu gehören der Datenrelais-Kommunikationssatellit EDRS-C, die DLR-Kommunikations-Mission „Heinrich Hertz“ zur Erforschung neuer Kommunikations-Technologien im All und natürlich die Kooperation mit der Sierra Nevada Corporation (SNC) im Projekt mit dem Raumgleiter namens „DreamChaser“, ganz passend zum OHB-Slogan: „Our dreams we chase – in outer space“. Mit dem Projekt „DreamChaser for Europe“ (DC4EU) hätte Europa endlich ein Raumtransportsystem für einen eigenständigen Zugang zum Erdorbit und könnte damit eigene Forschungsmissionen durchführen. Auch dieses Vorhaben läuft als Gemeinschaftsprojekt mit SNC, der ESA, dem DLR und der italienischen Firma Telespazio. Erste Studien haben ergeben, dass DC4EU nach einem Start mit einer Ariane Trägerrakete von Kourou nach dem Abschluss seiner In-Orbit-Mission an einem weniger frequentierten deutschen Flughafen wie Nordholz oder Rostock-Laage landen könnte. Wissenschaftler hätten dadurch einen direkten und schnelleren Zugang zu ihren Experimenten – ein großer Vorteil gerade bei Life-Science-Missionen.

Bremen beflügelt Airbus

Airbus Bremen

Nicht nur die Raumfahrt macht Bremen zu einem der führenden Luft- und Raumfahrtstandorte Europas. Mit rund 2.400 Mitarbeitern und knapp 160 Auszubildenden ist die Hansestadt auch der zweitgrößte Airbus-Standort in Deutschland. Die Spezialisten in Bremen sind verantwortlich für die Entwicklung und Fertigung der Hochauftriebssysteme aller Airbus-Baureihen – die technisch anspruchsvollen Klappen, ohne die ein Flugzeug weder starten noch landen könnte. Dies umfasst die gesamte Prozesskette von Konzeption und Tests bis zu Fertigung und Einbau.

Darüber hinaus werden die Tragflächen der Langstreckenflugzeuge A330 und A350 XWB in Bremen mit allen flugwichtigen Systemen ausgerüstet. Die Flügel werden aus dem britischen Airbus-Werk in Broughton per Beluga-Transportflugzeug in Bremen angeliefert, hier ausgerüstet und dann, ebenfalls per Beluga, zu den Endmontagelinien in Toulouse geflogen.

Bremen ist zudem der größte deutsche Fertigungsstandort des hochmodernen militärischen Transportflugzeugs A400M, der von Airbus Defence and Space für die Bundeswehr und die europäischen Partner hergestellt wird. In der norddeutschen Stadt wird der Rumpf montiert und mit allen flugwichtigen Systemen inklusive Frachtladesystem ausgerüstet. Der ausgestattete Rumpf wird dann per Beluga zur Endmontage nach Spanien geflogen.

Von Focke-Wulf bis Airbus: ein Standort mit über 100 Jahren Tradition

Die Luft- und Raumfahrtindustrie blickt in Bremen auf eine lange Tradition zurück. Bereits vor über einem Jahrhundert begannen Bremer Kaufleute ihre Begeisterung für das Maritime auf die Luftfahrt zu übertragen. Im Jahr 1909 gründeten Flugbegeisterte den „Bremer Verein für Luftschifffahrt“, der kurz darauf in den „Bremer Verein für Luftfahrt“ umbenannt wurde. Dieser Verein war es auch, der den Flughafen der Hansestadt ab 1913 aufbaute. Bis heute ist der Airport Bremen einer der ältesten noch am Gründungsort existierenden Flughäfen Deutschlands. Dort werden seit nunmehr über einhundert Jahren Passagierflüge angeboten.

Die weise Voraussicht der Bürger Bremens, auf die Luftfahrt zu setzen, zahlt sich bis heute aus. Die erste erfolgreiche Unternehmung im Bremer Luftfahrtsektor war Focke-Wulf Flugzeugbau, die 1924 am Flughafen ihren Betrieb aufnahm. Sie war Wegbereiter und Keimzelle für die heutige Luft- und Raumfahrtindustrie der Hansestadt. Neben zahlreichen Flugzeugmodellen geht auch die Erfindung des Hubschraubers auf das Unternehmen und insbesondere Mitgründer Henrich Focke zurück. Im Juni 1936 konnte dank seiner Pionierarbeit in Bremen der erste leistungsfähige Hubschrauber der Geschichte abheben.

Nach dem Zweiten Weltkrieg konnten Focke-Wolf und auch Weserflug erneut Fuß fassen, zunächst mit Segelfliegern und später mit innovativen Verkehrs- und Militärmaschinen. Die beiden Bremer Flugzeughersteller, die sich 1961 zusammenschlossen, gingen ab 1969 im neu gegründeten europäischen Airbus-Konzern auf und sicherten der Branche so eine überaus erfolgreiche Zukunft an der Weser. 

Forschungscluster Bremen: Schwerelosigkeit im Fallturm

Das Bundesland zeichnet sich durch eine enge Zusammenarbeit zwischen Forschung und Industrie aus. Unter Bedingungen der Schwerelosigkeit können Forscher im Weltall wissenschaftliche Versuche durchführen – und in Bremen. Zum Zentrum für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation (ZARM) der Universität Bremen gehört der Bremer Fallturm, dem einzigen seiner Art in Europa. Dort können Kapseln in die Tiefe und per Katapult in die Höhe geschossen werden. Bis zu 9,3 Sekunden Schwerelosigkeit werden so erzeugt, und das zu einem Bruchteil der Kosten, mit denen vergleichbare Experimente im All zu Buche schlagen. 

Auch das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) ist mit dem Institut für Raumfahrtsysteme in der Hansestadt vertreten. Das Institut analysiert und bewertet komplexe Systeme der Raumfahrt und entwickelt Konzepte für innovative Raumfahrtmissionen. Raumfahrtgestützte Anwendungen für wissenschaftlichen, kommerziellen und sicherheitsrelevanten Bedarf werden entwickelt und in Projekten kooperativ mit Forschung und Industrie umgesetzt.

ESA trifft 2016 wichtige Entscheidungen für den Raumfahrtstandort Bremen

Für die Zukunft des Luft- und Raufahrtstandorts Bremen wird viel von der ESA-Ministerratssitzung Anfang Dezember abhängen, bei der die Weichen für die europäische Raumfahrt für die kommenden Jahre gestellt werden. Um seine Spitzenposition bei der strategischen Zukunftsindustrie Raumfahrt behaupten zu können, muss Deutschland seine ESA-Investitionen auch in den kommenden Jahren auf dem Niveau von 2016 fortsetzen. Für die Raumfahrt in Bremen ist von besonderer Bedeutung, dass die Ariane 6 Rakete wie im 2014 beschlossen umgesetzt wird und Europa zusagt, pro Jahr fünf Ariane 6 für institutionelle Starts abzunehmen. Der Weiterführung der ISS-Aktivitäten und der Forschung im Orbit kommt ebenfalls große Bedeutung zu. Dazu gehört auch die Fortführung des Orion-Programms.

Höchste Luft- und Raumfahrtbeschäftigungsdichte aller Bundesländer

In der „City of Space“ genannten Wesermetropole erwirtschaften 140 Unternehmen und 20 Top-Institute aus der Luft- und Raumfahrtbranche einen Jahresumsatz von 4 Mrd. Euro. Mit 12.000 Arbeitnehmern auf 660.000 Einwohner hat Bremen die höchste Luft- und Raumfahrtbeschäftigungsdichte aller Bundesländer. Bedeutendster Arbeitgeber ist die Airbus Group einschließlich Airbus-Safran Launchers mit insgesamt 4.500 Mitarbeitern am Standort Bremen, gefolgt vom Raumfahrtkonzern OHB, der am Heimatstandort Bremen 700 seiner 2000 Mitarbeiter beschäftigt. Die Mitarbeiter sind zum größten Teil hochqualifiziert. So verfügen 75% der Beschäftigten in der Raumfahrt über einen Hochschulabschluss.