Neue Klimaziele: Deutschland muss zum Hub für klimaneutrales Fliegen werden

Berlin
• Klimaneutrales Fliegen große Chance: Standort stärken und Klima schützen
• Keine Zeit verlieren: Forschung fördern, Infrastruktur ausbauen
• „Deutschland muss im Cockpit sitzen statt nur als Passagier mitzufliegen“

Das klimaneutrale Fliegen ist Zukunft, und sie hat bereits begonnen. Deutschland muss dabei eine Schlüsselrolle einnehmen, um das Klima zu schützen und unseren Technologievorsprung in vielen Bereichen der Luftfahrtindustrie zu bewahren und auszubauen.

Darüber waren sich führende Persönlichkeiten aus Politik, Forschung und Industrie im Rahmen der BDLI-Gesprächsreihe „AeroSpace Insights“ einig. Bereits im nächsten Jahrzehnt werden Flugzeuge klimaneutral starten – vorausgesetzt, dass jetzt die richtigen Weichen gestellt und Entscheidungen schnell umgesetzt werden.

Deutschland bringt als einer der drei wichtigsten Standorte der zivilen Luftfahrt weltweit die perfekten Voraussetzungen mit, um zum Pionier des klimaneutralen Fliegens zu werden. Die verschärften Klimaziele der Bundesregierung verleihen diesem Ziel Nachdruck und unterstreichen, dass gerade in der Forschung sowie beim Aufbau der emissionsarmen Wasserstoffinfrastruktur mehr Geschwindigkeit notwendig ist. BDLI-Hauptgeschäftsführer Volker Thum betont: „Deutschland muss beim nachhaltigen Fliegen im Cockpit sitzen statt nur als Passagier mitzufliegen. So schützen wir das Klima und stärken gleichzeitig den Standort.“

Die Industrie arbeitet bereits mit Hochdruck daran, dass die ersten klimaneutralen Flugzeuge in Deutschland und Europa hergestellt werden: „Wir wollen bis 2035 das weltweit erste CO2-emissionsfreie Flugzeug mit Wasserstoffantrieb entwickeln und bis 2050 komplett klimaneutral fliegen“, sagt Grazia Vittadini, Chief Technology Officer von Airbus. „Das ist ambitioniert, aber realistisch. Wenn wir alle kraftvoll an einem Strang ziehen. Denn die Energiewende am Himmel ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. In Deutschland brauchen wir dafür vor allem ein politisch gefördertes Demonstrator-Programm und erste Pilotstrecken.“

„Der mit Abstand größte Hebel für das klimaneutrale Fliegen kommt aus dem Antriebsstrang. Als Triebwerkshersteller haben wir dafür ein umfassendes Innovationspaket auf den Weg gebracht, mit innovativen Lösungen für morgen und übermorgen“, erklärt Lars Wagner, Vorstand Technik, MTU Aero Engines. „Schon heute zielen in unserer Branche etwa 90 Prozent der F&E-Investitionen unmittelbar auf die Senkung von Emissionen und Lärm ab. Langfristig sehen wir die Brennstoffzelle für die Kurz- und Mittelstrecke als das Konzept für eine Luftfahrt ohne Auswirkungen auf die Umwelt oder das Klima.“ Diese Technologie schon 2035 in Betrieb gehen zu lassen, sei ambitioniert, aber machbar, so Wagner: „Denn das große Ziel vom klimaneutralen Fliegen ist die spannendste Aufgabe für die heutige und die kommende Ingenieursgeneration am Standort Deutschland.“

Thomas Jarzombek, MdB, Koordinator der Bundesregierung für die Deutsche Luft- und Raumfahrt, führt aus: „Das Thema 'grünes Fliegen' wird ein zentraler Impulsgeber für den Restart bei den Herstellern und Zulieferern sein. Deshalb stellt die Bundesregierung über 200 Millionen Euro bereit, um die Erforschung emissionsarmer Flugzeugantriebe zu unterstützen. Damit setzen wir international Maßstäbe. Emissionsarme Antriebe in der Luftfahrt der Zukunft brauchen heute keine Verbote, sondern jetzt Innovationen und Investitionen in die Märkte der Zukunft.“

Das klimaneutrale Fliegen erfordert das Zusammenwirken der hochinnovativen deutschen Luftfahrtindustrie mit der exzellenten Forschungslandschaft. Diese setzt eine entsprechende weitsichtige, kluge industriepolitische Flankierung voraus. Die Standorte in der gesamten Bundesrepublik, der gesamten Wertschöpfungskette entlang vom Systemhersteller bis zum mittelständischen Zulieferer, von der Küste bis zum Bodensee, verfügen über das Know-how, dass das klimaneutrale Flugzeug der Zukunft aus Deutschland und Europa kommt.

„Wir können zum Hub für das klimaneutrale Fliegen werden“, unterstreicht Jörg Au, Chief Engineer–Business Aviation und Engineering Director und Mitglied der Geschäftsführung, Rolls-Royce Deutschland und BDLI-Präsidiumsmitglied. „Dafür braucht es ein gestärktes Luftfahrtforschungsprogramm LuFo, die Finanzierung und Umsetzung eines Technologie-Demonstratoren-Programms zur Erprobung disruptiver Technologien, die rasche Umsetzung der Innovationsprämie Luftfahrt und Investitionen in nachhaltige Flugkraftstoffe. Dies ist die Schubkraft, mit der Deutschland zum internationalen Vorreiter beim klimaneutralen Fliegen wird.“

„Die Gesellschaft verlangt zu Recht nach neuen Technologien in der Luftfahrt. Auf dem Weg zum klimaverträglichen Luftverkehr besteht ein erheblicher Forschungs- und Entwicklungsbedarf. Vieles muss in den Grundlagen erforscht und praktisch erprobt werden“, erklärt Prof. Anke Kaysser-Pyzalla, Vorstandsvorsitzende des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR): „Das DLR verfügt über Systemkompetenz in der Luftfahrtforschung und sieht sich damit in einer Architektenrolle. Von den Grundlagen bis hin zur Anwendung in enger Abstimmung und in Kooperation mit der Luftverkehrsindustrie und -wirtschaft. Das Ziel des DLR ist eine 'emissionsfreie Luftfahrt'.“