Klimaneutrales Fliegen in Sicht

BAS2020

Eine beispiellose Krise für den Luftfahrtsektor

Mit einem Verkehrsaufkommen von nur noch 20% im Vergleich zum Vorjahr durchlebt die Luftfahrtindustrie ihre bisher schwerste Krise. Die Diskussionsteilnehmer aus der gesamten Branche waren sich auf dem #BAS2020 einig, dass der Luftverkehr frühestens 2023 wieder das Vorkrisenniveau erreichen dürfte. Doch die jüngsten Nachrichten über den Impfstoff lassen hoffen, unterstreicht Richard Aboulafia von der Teal Group. Guillaume Faury, CEO von Airbus, schließt sich dem an und betont, dass „die dunkelste Stunde immer kurz vor der Morgendämmerung ist“.

BAS2020

(Foto: Timm Bourry)

Der Flugverkehr wird nur mit einem koordinierten und einheitlichen Ansatz für Tests und Grenzöffnung wieder durchstarten. Nur dies wird das Vertrauen der Passagierinnen in die Sicherheit des Fliegens neu beleben. Alexandre de Juniac, Generaldirektor und CEO bei der IATA, ist der Ansicht, dass die sozialen und wirtschaftlichen Vorteile des Flugverkehrs nur mit einem einheitlichen Ansatz wiederhergestellt werden können. Aus diesem Grund fordert die Branche die europäischen Regierungen auf, dringend gemeinsame und planbare Regeln für die Prüfung und Wiederöffnung der Grenzen aufzustellen.

BAS2020

(Foto: Timm Bourry)

Die Luft- und Raumfahrtindustrie nimmt bei der Gestaltung der Welt eine Vorreiterrolle ein

Es betonten Branchenführerinnen auf dem #BAS2020, dass technologische Innovationen der Schlüssel zu einem emissionsfreien Luftverkehr sein werden. Flüssigwasserstoff-Antriebssysteme, nachhaltige Brennstoffe und Turbofan-Flugzeugentwürfe wurden als vielversprechende Entwicklungen für die Zukunft des Fliegens gefeiert. Grazia Vittadini, CTO von Airbus sowie ihr Amtskollege Greg Hyslop, Chefingenieur bei Boeing, sehen vor allem in Wasserstoff ein enormes Potenzial für die Markteinführung emissionsfreier Flugzeuge. Dies erfordere eine Dekarbonisierung der Energie und damit die Zusammenarbeit der Luft- und Raumfahrt mit dem Energiesektor. Wenn die Zusammenarbeit heute beginnt, werden beide Branchen bereits 2027 bereit sein.

BAS2020

(Foto: Timm Bourry)

Die Krise hat den Übergang zu Digitalisierung und Nachhaltigkeit beschleunigt

Diese Krise bringe wenig Gutes, so Florian Guillermet von SESAR, aber sie hat die Trends der Digitalisierung und Nachhaltigkeit positiv beschleunigt. Axel Krein, Exekutivdirektor bei Clean Sky Joint Undertaking, bestätigt dies und sieht diese Trends als Möglichkeit an, bei künftigen Flügen Lärm und Emissionen noch weiter zu reduzieren.

Der dringende Bedarf an einem stärker digitalisierten Flugverkehrsmanagement und einer einheitlichen Datennutzung in Europa steigert die Effizienz und erhöht das Sicherheitsniveau des Flugbetriebs. Einheitlichkeit ist auch bei globalen Richtlinien und bei nachhaltigen Brennstoffen gefragt, damit bestehende und zukünftige Flugzeuge integrierbar bleiben, unterstreicht Maarten van Dijk von SkyNRG. Auf dem Weg zu einer vollständig digitalisierten und nachhaltigen Industrie müssen alle Beteiligten eine Rolle spielen.

Der Luftfahrtsektor wird gestärkt aus dieser Krise hervorgehen. Die Luftfahrtindustrie wird auch in Zukunft die Welt verbinden. Der Sektor wird noch vor Beginn des nächsten Jahrzehnts wirtschaftlich und gleichzeitig ökologisch wachsen.

Klimaneutrale Luftfahrt innerhalb unserer Lebenszeit möglich

Forum2020

CTOs zeigen einen konkreten Weg zur klimaneutralen Luftfahrt

"Wir sind davon überzeugt, dass die klimaneutrale Luftfahrt innerhalb unserer Lebenszeit erreichbar ist", betonte Grazia Vittadini von Airbus auf dem CTO-Panel des #AeroDays2020 Forums. Die anderen Diskussionsteilnehmer schlossen sich dieser Botschaft an, indem sie vielversprechende Technologien vorschlugen, die bis 2050 emissionsfreie Flugzeuge ermöglichen. Das Potenzial von Wasserstoff wurde von allen begrüßt, da er kein CO2 ausstößt und dreimal leichter ist als herkömmliche Brennstoffe. Dies erfordert jedoch andere Lösungen für die Lagerung im Flugzeug aufgrund der Herausforderungen an das Volumen. Parallel dazu müssen Forschung und Entwicklung in Gasturbinen und des Elektroantriebs vorangetrieben werden, um andere Arten des emissionsfreien Fliegens zu ermöglichen. Triebwerke können laut Chris Raymond von Boeing um bis zu 20% effizienter werden, was zu einem ähnlichen Niveau der Emissionsreduzierung führt. 

Aerodays2020 Forum

SAF als Kernpunkt der Energiewende in der Luftfahrt                 

Nachhaltige Brennstoffe (SAF) wurden von allen gelobt, da sie eine große Chance bieten, die Nachhaltigkeit in der Luftfahrtindustrie voranzutreiben. SAF könnten die durch die Luftfahrt verursachten Emissionen um mindestens 80% reduzieren. Siegfried Knecht von aireg wies darauf hin, dass es derzeit zu wenige Unternehmen gebe, die SAF herstellen. Er sehe jedoch Licht am Ende des Tunnels, da genügend Ausgangsmaterial für SAF zur Verfügung stehe, um den Produktionsanstieg bis 2030 zu bewältigen. Die Diskussionsteilnehmer sprachen über die Notwendigkeit, sich mit den hohen Kosten von SAFs auseinanderzusetzen, da die Industrie in den kommenden Jahren die Kommerzialisierung dieser Kraftstoffe in Betracht zieht. Die Einführung verbindlicher Quoten könnte in erster Linie das Kostenproblem angehen. Darüber hinaus müssen die Regulierungsbehörden eng zusammenarbeiten, so Rob Watson von Rolls Royce, so dass SAFs weltweit in Flugzeuge integriert werden können.

Kosten und Geschwindigkeit verbessern – Digitalisierung soll Luft- und Raumfahrt revolutionieren                                          

„Die Zukunft der Luft- und Raumfahrt wird datenzentriert sein“, erklärte Torsten Welte von SAP. Der Schritt zur vollständigen Digitalisierung der Branche geht mit Verbesserungen in der gesamten Lieferkette einher. Von der Entwicklung bis zur Fertigung ermöglicht Digitalisierung einen kosten- und zeiteffizienteren Prozess, um das Flugzeug der Zukunft zu bauen. Auch künstliche Intelligenz wird in den kommenden Jahren eine große Rolle spielen und den Weg für autonomeres Fliegen mit nur einem Piloten ebnen. Bruno Stoufflet von Dassault warnt jedoch davor, dass dies zu Widerständen bei Piloten und Passagieren führen könnte. Die Diskussionsteilnehmer betonen, dass ein beschleunigter Zertifizierungsprozess notwendig sei, um die Digitalisierung wirklich auf die nächste Stufe zu heben.

„Wir stehen an der Schwelle zur Implementierung aufregender neuer Zukunftstechnologien“, betonte Prof. Iain Gray von der Universität Cranfield. Drei Ansätze wurden dabei als Wegbereiter für eine klimaneutrale Luftfahrt identifiziert: Reduktion des Brennstoffverbrauchs von Flugzeugen, Optimierung des Flugverkehrsmanagements und die Einführung neuer Brennstoffe. Branchenführer forderten die Entwicklung neuer Technologien innerhalb dieses Jahrzehnts, so dass sie bereits vor 2050 für die Zulassung und anschließende Kommerzialisierung bereit stehen. Kein Unternehmen, keine Nation und keine Industrie wird diese Herausforderungen jedoch im Alleingang meistern. Die gesamte Branche muss gemeinsam auf eine emissionsfreie Luftfahrt hinarbeiten, wobei höchste Sicherheitsstandards oberste Priorität haben.

Disruptive Lösungen bringen Luftfahrt in Schwung

Auf dem Weg zu einem vollständig autonomen ATM

Die Digitalisierung des Flugverkehrsmanagements (ATM) ist der Schlüssel zu einem reibungsloseren und schnelleren Management des europäischen Luftraums. Jan-Christian Schraven von Swiss International Airlines unterstrich, dass es für das ATM vier Herausforderungen zu bewältigen gibt: Pünktlichkeit, Umwege, alte Prozesse und neue Marktteilnehmer. Eine digitale Verwaltung des Luftraums könne dazu beitragen, die Luftfahrt skalierbarer, umwelteffizienter, berechenbarer und widerstandsfähiger zu machen. Mit virtuellen Zentren oder digitalen Türmen wären Fluglotsen unabhängig vom geografischen Standort, und ein einziger Fluglotse könnte Dienstleistungen für mehrere Flughäfen gleichzeitig erbringen. Mit besserer Kamera-Sicht und verbesserter visueller Überwachung wird ein digitales Flugverkehrsmanagement der Knackpunkt sein, um dem Aufwärtstrend im Luftverkehr zu begegnen. Die Diskussionsteilnehmer unterstrichen jedoch die dringende Notwendigkeit, Drohnen in die ATM-Systeme zu integrieren. Diese UAM werden in der Tat in den kommenden Jahren einen wichtigen Teil des Flugverkehrs ausmachen.

Nachhaltig und leise – die vielversprechende Zukunft von UAM

UAM birgt das Potenzial, die Luftfahrt zu revolutionieren. Lilium, Volocopter und Airbus stellten vollelektrische Modelle vor, die in den nächsten Jahren am Stadthimmel fliegen könnten. Hugues Langer, der im Namen von ASD Europa spricht, betont jedoch, dass vier Bedingungen erfüllt sein müssen, damit UAM ein Erfolg werden. Hohe Sicherheit, klimaneutrale Flüge, eine nahtlose Integration in das bestehende Bodentransportsystem und ein hoher wahrgenommener Wert des Produkts bei Städten und Passagieren sind Voraussetzungen für den Erfolg. Vielversprechende Meilensteine wurden bereits in Singapur, Dubai, Los Angeles und Paris erreicht. Diese Städte wissen, dass UAM in der Stadt selbst nur minimale zusätzliche Infrastruktur benötigen. Wenn Anstrengungen unternommen werden, um die Kosten für die Nutzer zu senken, dann werden UAM schon bald einen echten Beitrag zur Verkehrsoptimierung und Lärmsenkung in überlasteten Städten leisten. Die Diskussionsteilnehmer forderten dringende politische Unterstützung und behördliche Genehmigungen, um die Einführung von UAM in den Städten von morgen zu ermöglichen.

Forum2020

Visionäre Technologien in der Pipeline                            

Vollelektrisches Fliegen, „Leichter-als-Luftfahrt“-Konzepte, Flying Whales, Überschallflugzeuge oder stratosphärische Plattformen waren einige der Innovationen, die auf dem #AeroDays FORUM vorgestellt wurden. Diese außergewöhnlichen Technologien wurden von ihren Erfindern gefeiert, da sie den weltweiten Zugang zum Internet, die Beobachtung von Klima und Umweltverschmutzung in Echtzeit oder sogar den Transport von Lasten von bis zu 60 Tonnen ermöglichen. Doch um diese Technologien innerhalb des nächsten Jahrzehnts verfügbar zu machen, müssen öffentliche und private Investitionen erheblich gesteigert werden. Die Diskussionsteilnehmer waren sich einig, dass Nachhaltigkeit und Sicherheit die wichtigsten Prioritäten für jede ihrer visionären Entwicklungen sind.

Die Diskussionsteilnehmer am zweiten und letzten Tag des AeroDays2020-FORUMS teilten die Meinung: Die Zukunft der Luftfahrt wird nachhaltig und digital sein. Erhöhte Mittel für Forschung und Entwicklung werden den Weg für sichere, nachhaltige und schnelle Flugreisen ebnen. Öffentliche Akzeptanz und behördliche Zustimmung sind die letzten Hürden, die es zu überwinden gilt, um diese Vision Wirklichkeit werden zu lassen. Zum Abschluss der #AeroDays2020 fasste Thomas Jarzombek im Namen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft zusammen: „Die #BAS2020 und die EU #AeroDays2020 haben gezeigt: Wir sind eine globale Gemeinschaft. Jetzt müssen wir das Vertrauen in den Luftverkehr wiederherstellen, denn nur ein nachhaltiger Luftverkehr wird seine Lizenz zum Wachsen erhalten“.