KW 22/2019

Zukunftstechnologie

Vom Tropfen zum neuen Triebswerksdesign

Projektleiter Florian Meyer zeigt den Versuchsaufbau
Projektleiter Florian Meyer zeigt den Versuchsaufbau
Erst tiefkalt, plötzlich extrem heiß – tiefkalter, flüssiger Sauerstoff wird im Inneren eines Raketentriebwerkes genutzt, um zusammen mit Wasserstoff zu verbrennen und so Energie zu erzeugen. Was in diesem hochkomplexen Verbrennungsprozess im Detail passiert, ist bis heute nicht entschlüsselt. Forscher am Zentrum für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation (ZARM) in Bremen wollen das ändern – und dabei Hinweise erhalten, wie Raketentriebwerke effizienter arbeiten und kleiner gebaut werden können.

Der Vorgang scheint im Grunde simpel: Flüssiger Sauerstoff wird in die Brennkammer des Raketentriebwerks eingespritzt und verbrennt dort mit dem vorhandenen Wasserstoff. Der eingespritzte Sauerstoff muss dabei in möglichst viele winzige Tropfen unterteilt werden – er gleicht letztlich eher einem Spray –, um eine möglichst große Oberfläche zu erhalten. Das macht die Verbrennung effizienter und schneller.

Wie die chemischen und physikalischen Vorgänge dabei genau interagieren, ist bislang nicht bekannt. Die Komplexität ist hoch: Mehrere Millionen winzigste Tröpfchen reagieren binnen wenigen Sekunden und in hoher Geschwindigkeit miteinander. Wie verdampfen die einzelnen Tröpfchen? Welche Drücke entstehen wann und wo? Welche Wechselwirkungen gibt es zwischen den einzelnen Tröpfchen? Selbst der leistungsstärkste Computer verfügt heute nicht über die Kapazität, das in dieser Dimension zu berechnen.

Grundlagenforschung für die Raumfahrt von morgen

Das Forschungsprojekt HYDRA am ZARM untersucht die Prozesse anhand des einfachsten Elementes: dem Einzeltropfen. In dem 146 Meter hohen Bremer Fallturm erzeugen die Wissenschaftler einen Tropfen Sauerstoff und lassen ihn in einer Brennkammer fünf Sekunden lang nach unten fallen. Dort reagiert er mit gasförmigem Wasserstoff, der sich in der Brennkammer befindet. Gezündet wird die Reaktion mit einem Laser. Mithilfe von speziellen Kameras und Sensoren zeichnen die Wissenschaftler auf, was genau passiert.

Der 146 Meter hohe Fallturm am ZARM – europaweit einzigartig.

Während des freien Falls im Turm befindet sich das Experiment in Schwerelosigkeit, was unter anderem dazu führt, dass der Tropfen nicht die übliche längliche Form hat, sondern perfekt rund ist. Das macht Berechnungen in diesem ersten Schritt einfacher. Im Laufe der Versuche wird zudem mit verschiedenen Konzentrationen von Wasserstoff als Brennstoff sowie mit unterschiedlichen Drücken experimentiert.

Über die Beobachtung am einzelnen Tropfen wollen die Forscher Erkenntnisse für das Gesamtsystem erhalten. Als nächster Schritt könnte etwa ein zweiter Tropfen hinzugefügt werden, um zu sehen, wie beide Tropfen bei der Verbrennung miteinander interagieren. Die langfristige Vision: eines Tages den gesamten Prozess verstehen und optimieren.

Maximum aus dem Raketentriebwerk rausholen

Die Forscher wollen Erkenntnisse darüber erhalten, wie der Verbrennungsprozess im Raketentriebwerk effizienter gestaltet werden kann. Als Resultat könnten eines Tages die Brennkammern beispielsweise kleiner gebaut werden. Die Folge: Die Rakete insgesamt kann kleiner, leichter und kostengünstiger produziert werden. Angesichts neuer Entwicklungen und einer zunehmenden Kommerzialisierung in der Raumfahrt – Stichwort: New Space –, kann das von entscheidendem Vorteil sein und der europäischen Raumfahrt einen wichtigen Vorsprung verschaffen.

Das ZARM arbeitet im Projekt mit mehreren Partnern zusammen, darunter das Leibniz-Institut für Photonische Technologien an der Universität Jena sowie die University of Washington in den USA. Finanziell gefördert wird das Projekt zudem vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Es läuft noch bis Ende 2019.