KW 30

Zukunftstechnologie

Triebwerksschaufeln wie von Zauberhand

Das Präzise Elektrochemische Abtragen löst das Metall mit Hilfe von Stromflüssen Schicht für Schicht auf und bringt es so in die gewünschte Form.
Das Präzise Elektrochemische Abtragen löst das Metall mit Hilfe von Stromflüssen Schicht für Schicht auf und bringt es so in die gewünschte Form.
Kann man Metallteile formen, ohne sie dabei zu berühren? Was nach Science Fiction klingt, ist bei MTU Aero Engines inzwischen Realität. Das Unternehmen formt spezielle Triebwerksschaufeln mit ungekannter Präzision und komplett ohne Berührung. Das Ergebnis trägt dazu bei, dass Antriebe in modernen Flugzeugen bis zu 16 Prozent weniger Treibstoff verbrauchen und entsprechend weniger CO2 ausstoßen.

Innovatives Verfahren für neue Formen und Stoffe

Das hochinnovative Verfahren heißt Präzises Elektrochemisches Abtragen (Precise Electrochemical Machining, PECM). Das Metall wird dabei mit Hilfe von Stromflüssen Schicht für Schicht aufgelöst und so in die gewünschte Form gebracht. Das Metall wird dabei mit Hilfe einer Natriumnitratlösung sowie elektrischem Strom, die zwischen Bauteil und Werkzeug geleitet werden, kontinuierlich abgetragen und in die gewünschte Form gebracht. Die Flüssigkeit hat dabei drei Funktionen: Sie stellt eine elektrisch leitende Verbindung her, sorgt für den Abtransport des abgetragenen Materials sowie des entstehenden Wasserstoffs und kühlt den Prozess. Ein großer Vorteil: Es gibt keinen Werkzeugverschleiß, da zwischen Abformwerkzeug und Material immer ein Abstand im Mikrometerbereich verbleibt. Das Ergebnis ist ein fertiges Triebwerksteil – die sonst notwendige Nachbearbeitung der Oberfläche entfällt. PECM bedeutet Metallbearbeitung und Feinschliff in einem.

Zum Einsatz kommen die auf diese Weise geformten Schaufeln im Verdichter. Dort wird die Luft komprimiert, bevor diese in die Brennkammer des Triebwerks geleitet wird. Die Bedingungen stellen höchste Anforderungen an die Werkstoffe. Sie müssen extremen Temperaturen von bis zu 650 Grad trotzen. Deshalb werden heute besonders hitzebeständige Nickellegierungen genutzt. Das herkömmliche Fräsen dieses Werkstoffs ist jedoch extrem aufwendig und teuer. PECM macht die präzise Bearbeitung von Nickel wirtschaftlich vertretbar.

Triebwerksteile wie aus einem Guss

Das neue Verfahren erlaubt es, die Verdichterschaufeln so präzise zu formen, dass Luftströme optimal durch das Triebwerk geleitet werden. Anstatt die Schaufeln wie früher einzeln zu fräsen und auf eine Scheibe zu montieren, wird das komplexe Bauteil aus einem Stück hergestellt – eine sogenannte Blisk. Das Fehlen von Schnittstellen bedeutet: kein Verschleiß und keine Leckagen mehr. Das erhöht den Wirkungsgrad im Verdichter. Und das spart Gewicht. Triebwerke werden kompakter und weniger wartungsintensiv. Aus diesen Gründen produziert MTU Aero Engines Getriebefanverdichter erstmals für zivile Flugzeuge vollständig in Bliskbauweise.

Innovationsstandort München

Das Unternehmen hat die vier PECM-Serienanlagen am Münchner Standort eigenständig konzipiert und gebaut sowie die Verfahren selbst entwickelt. Perspektivisch kann es auch auf neue Anwendungsbereiche übertragen werden, beispielsweise um Schaufeln für Turbinen herzustellen und Metalloberflächen präzise zu bearbeiten.