Karbonfaser 4.0 für Flugzeugteile

Schon heute können großflächige Bauteile wie Flügelflächen oder Rumpfteile aus Karbonfaser in Serie von Robotern gefertigt werden. An ihre Grenzen stößt die Automatisierung insbesondere dann, wenn Teile mit komplexen Formen gefertigt werden sollen.
Karbonfaser verhält sich wie Stoff
Die Krux an den leichten Karbonfaserstoffen: Sie sind ein Textil – wie Stoff, aus dem Kleidung genäht wird. Man stelle sich vor, die Oberfläche einer Kugel mit einem Stück Stoff zu ummanteln – eine komplexe Aufgabe, die Überlappungen und Schnitte nötig macht. Genau das muss aber gelingen, wenn beispielsweise Flugzeugfenster, Triebwerkshälften oder gebogene Rohre aus Karbonfaser hergestellt werden sollen.
Bislang legen Ingenieure in Handarbeit die dünnen Karbonfaserschichten in der korrekten Anordnung ab und formen so die Bauteile. Das dauert lange, oftmals mehrere Stunden für jedes einzelne Bauteil. Eine rentable Fertigung in hohen Stückzahlen ist so nicht möglich. Erschwerend kommt hinzu: Die steigende Nachfrage im Luftverkehr macht höhere Produktionsraten nötig – nur mit automatisierten Verfahren ist das zu bewerkstelligen.
Roboter bauen Flugzeugteile
Cevotec ist nun das bislang Unmögliche gelungen. Das Start-up hat mit der Fiber Patch Placement (FPP) Technologie ein Verfahren entwickelt und auf den Markt gebracht, bei dem auch kleinere und komplexe Bauteile per Roboter aus Karbonfaser hergestellt werden können. Vorstellen kann man sich das so: Das Material aus Karbonfaser ist aufgerollt wie ein Paketklebeband, ein Roboter schneidet von diesem Band kleine Stücke – sogenannte Patches – ab. Die Größe der Patches ist jeweils angepasst auf die Bauteilgröße und dessen Komplexität. Anschließend legt ein Roboterarm die Patches ab und formt dabei Bauteile, die ein Ingenieur zuvor am Rechner konzipiert hat. Über eine eigens entwickelte Software können die Ingenieure die Teile entwerfen und die optimale Anordnung der Patches berechnen. Die Software programmiert zudem die Roboterbewegungen für den späteren Produktionsprozess.
Die Vorteile sind erheblich. So spart das Verfahren im Vergleich zur manuellen Fertigung bis zu 50 Prozent an Karbonfasermaterial ein. Durch umfangreiche Sensorik und einer damit einhergehenden Prozesskontrolle werden notwendige Qualitätskontrollen zudem bereits während des Fertigungsprozesses durchgeführt – aufwendig Nachkontrollen werden stark reduziert oder entfallen. Und die Zeit für die Produktion reduziert sich um ein Vielfaches. Und das Verfahren macht es möglich, unterschiedliche Materialien zu mixen und beispielsweise auch Klebefilme oder Kupferdraht zu verarbeiten. Flugzeugteile können so oft in einem einzigen Produktionsschritt hergestellt werden.
Entwicklung dauert an
Das Cevotec Team arbeitet seit 2014 an dem neuen Verfahren. Gefördert wurde es durch das Förderprogramm EXIST der Bundesregierung. Die erste industriefähige Anlage wurde 2017 dem Markt vorgestellt. Aktuell arbeitet Cevotec eng mit führenden Luftfahrunternehmen bei der Entwicklung von neuen Fertigungsprozessen und Bauteilen zusammen, die bereits in wenigen Jahren in die Luft gehen sollen.