KW 17/2016

Zukunftstechnologie

Flugzeugbauteile aus dem Drucker

ALM-Verbindungsstück aus Titan © Airbus
ALM-Verbindungsstück aus Titan © Airbus
Das Bauteil selbst ist eher unspektakulär: Ein Verbindungsstück aus Titan, eingesetzt in einer Testmaschine des neuen Langstreckenflugzeugs Airbus A350 XWB.

Dennoch schreibt es am 20.06.2014 Luftfahrtgeschichte als das erste Metallbauteil aus dem Drucker, welches sich mit einem kommerziellen Passagierflugzeug in die Luft erhebt.  

Anders als bei den meisten epochalen Ereignissen der Fliegerei gibt es an diesem Morgen weder Zuschauer noch hochrangigen Gäste. Dennoch hat diese für Passagiere bisher kaum wahrnehmbare technische Errungenschaft eine schleichende Revolution im Flugzeugbau ausgelöst, die ökonomischen und ökologischen Nutzen vereint: geringerer Einsatz von Rohstoffen, leichtere Bauteile sowie weniger Treibstoffverbrauch und Emissionen.

Deutschland gehört zu den Technologieführern dieser Schlüsseltechnologie von morgen, den generativen oder ALM-Fertigungsverfahren, oft 3-D-Druck genannt. Die Luftfahrtindustrie steht an der Spitze dieser Entwicklung, da teure Flugzeugteile so schneller, leichter und günstiger produziert werden können. Doch es geht um mehr als nur eine Beschleunigung der Fertigung. Die Hightech-Verfahren erlauben es erstmals, feine und hochkomplexe Strukturen aus Metall in einem Stück herzustellen. Dadurch werden völlig neue, an der Natur angelehnte bionische Strukturen ermöglicht. 

„Durch generative Fertigung können gegenüber herkömmlichen Herstellungsverfahren bis zu 55% des Gewichts eingespart werden. Wenn man sich vor Augen hält, dass jedes Kilo Gewichtsersparnis im Laufe eines Flugzeuglebens etliche Tonnen CO2 einspart, wird deutlich, was für ein Potenzial in dieser Technologie steckt. Und das Beste: Wir müssen nicht jahrelang bis zur nächsten Flugzeuggeneration warten, sondern können einzelne Teile sofort einsetzen“, so Peter Sander von Airbus Emerging Technologies & Concepts. Darüber hinaus kann auf diese Weise besonders Ressourcen schonend produziert werden: Bei der generativer Fertigung fallen anstelle von bis zu 95% Zerspanungsabfall nur noch wenige Prozent an.

Statt wie üblich Bauteile aus einem massiven Block herauszufräsen, wird bei der generativen Fertigung das Verfahren umgekehrt: Ein pulverförmiges Ausgangsmaterial, zum Beispiel Aluminium, Titan oder Polyamid, wird in unzähligen hauchdünnen Schichten auf eine Trägerplatte gebracht. Bei jeder einzelnen Schicht fährt ein computergesteuerter Laserstrahl nach den Daten eines 3-D-Computermodells über jede einzelne Lage und verschweißt dabei die winzigen Staubkügelchen, bevor die nächste Pulverschicht aufgebracht wird.

Auf diese Art können prinzipiell Bauteile in jeder x-beliebigen Form entstehen, mit Hohlräumen, Lamellen oder integrierten Rohren. Die Vorteile des Verfahrens sind weitreichend: Ressourcen schonende, dezentrale und damit günstigere Produktion, deutliche Gewichtsreduzierung bei den Bauteilen und die Möglichkeit zur Fertigung hochkomplexer Strukturen.

Die Zukunftstechnologie entwickelt sich rasant weiter: Im Dezember 2015 stellt Airbus mit dem Softwareunternehmen AutoDesk eine Kabinentrennwand im bionischen Design vor, dem bisher größten im 3-D-Druck entstandenen Kabinenteil. Dabei kommen der Natur nachempfundene, astartige Streben zum Einsatz, die optimal auf die auftretenden Lasten ausgerichtet sind. Die Trennwand ist 30 Kilogramm bzw. 45 Prozent leichter. Wenn man die gesamte Kabine aller bestellten A320 nach diesem Muster ausstatten würde, ließen sich 465.000 Tonnen CO2 pro Jahr einsparen. 

Anfang 2016 läutet Premium Aerotec als einhundertprozentige Tochter von Airbus im niedersächsischen Varel ein neues Zeitalter in der Produktion ein: Erstmals werden 3-D-Drucker nicht mehr im Versuch sondern industriell eingesetzt, zunächst für doppelwandige Treibstoffrohre aus Titan. „Das ist ein echter Meilenstein, zumal sich die Kosten in solchen Fällen halbieren lassen", so Peter Sander. 

ALM-Verfahren werden seit kurzem vereinzelt in der Kabine und einigen anderen Bereichen angewendet. Im Bereich der Triebwerke werden bereits erste Serienbauteile eingesetzt. Mit den dabei gewonnenen Erkenntnissen kann der Anwendungsbereich bis hin zur Herstellung ganzer Komponenten im gesamten Flugzeug vergrößert werden. Mittel- und langfristig werden ALM und bionisches Design in komplett neue Bauweisen zukünftiger Flugzeugprogramme einfließen.