KW 15/2016

Gesellschaftlicher Nutzen

Einparkhilfe im All

Der europäische Raumfrachter ATV-5 bringt im August 2014 2600kg Nachschub zur Internationalen Raumstation. Copyright: ESA-Illustration–D. Ducros, 2014
Der europäische Raumfrachter ATV-5 bringt im August 2014 2600kg Nachschub zur Internationalen Raumstation. Copyright: ESA-Illustration–D. Ducros, 2014
Ohne sie wäre es wesentlich schwieriger, die Astronauten der Internationalen Raumstation ISS mit Nachschub zu versorgen: 3-D Lasersensoren aus Jena, die mit nie gekannter Präzision die kritischen Andockmanöver lenken und so das Risiko für die internationale Besatzung, zu der zeitweise auch deutsche Astronauten gehören, dramatisch reduzieren.

Wie alles im All ist die Versorgung der Raumfahrer eine komplexe Angelegenheit. Regelmäßig werden unbemannte Weltraumfrachter ins All gebracht, um die einzige menschliche Siedlung außerhalb der Erdatmosphäre mit Nahrung, Frischwasser, Sauerstoff und wissenschaftlicher Ausrüstung einzudecken.

Europa, die USA, Russland und Japan sichern seit der Fertigstellung im Jahr 2000 gemeinsam die Nachschublinie zur Raumstation. Dafür müssen von der Europäischen Raumfahrtagentur ESA neue Wege beschritten werden: Hightech-Raumtransporter mit dem Namen Automated Transfer Vehicles (ATV) werden in Bremen hergestellt und dann mit der europäischen Trägerrakete Ariane 5 in den Orbit befördert. Bisher gelingen fünf erfolgreiche Missionen zur ISS. Der eigene europäische Zugang zur Raumstation ist vollbracht.

Der Versorgungsfrachter von der Größe eines Doppeldeckerbusses muss dabei zentimetergenau an die 110 Meter lange ISS andocken – bei einer Geschwindigkeit von 28.000 km/h in 400 Kilometern Höhe ein äußerst heikles Unterfangen. „Das ist eines der kritischsten Manöver für die Astronauten der ISS. Durch unsere immer präziseren ‚Einparkhilfen‘ können wir das Risiko der vollautomatischen Annäherung erheblich reduzieren“, so Dr. Florian Kolb, Abteilungsleiter Lidare bei der Jena-Optronik. 

Die neuste Generation der Sensoren mit dem Namen RVS 3000 kam 2014 erstmals auf dem bisher letzten Flug des europäischen Raumtransporters zum Einsatz. Der Prototyp, ein lasergestützter Entfernungs- und Geschwindigkeitsmesser (3D-Lidar) ist kleiner, leichter, flexibler und verfügt über eine höhere Reichweite.

Die erheblich leistungsfähigeren neuen Sensoren sollen in Zukunft eine automatische Annäherung an weit von der Erde entfernt liegende Objekte und das Erkennen von geeigneten Landeplätzen auf anderen Planeten wie etwa Mond und Mars ermöglichen. Es sind aber auch Anwendungen im Bereich Weltraumtourismus denkbar.

„Die in Jena entwickelten Sensoren sind ein Paradebeispiel für die Innovationskraft der deutschen Zuliefererindustrie. Sie sind die leistungsfähigsten Produkte weltweit und werden seit Jahren auch von den USA und Japan erfolgreich eingesetzt“, so Dr. Kolb weiter. „Um die europäische Technologieführerschaft in diesem und vielen anderen Bereichen der Raumfahrt zu sichern, benötigen wir von der ESA-Ministerratskonferenz im Dezember dringend grünes Licht für die Weiterführung wichtiger Projekte wie der ISS in den kommenden Jahren.“

Die Entwicklung und Herstellung des RVS 3000 wurde für Airbus Defence & Space im Auftrag der Europäischen Raumfahrtagentur ESA in enger Zusammenarbeit mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und dem Fraunhofer Institut für Optik und Feinmechanik (IOF) in Jena durchgeführt. 

Die Jena-Optronik ist Weltmarktführer im Bereich der Rendezvous- und Dockingsensoren. Europäische, japanische und amerikanische Raumfrachter nutzen seit 2008 die zuverlässigen Sensoren zum automatischen und hochpräzisen Andocken an die Internationale Raumstation (ISS). Bisher waren bereits 19 der laserbasierte Sensorsysteme RVS im All erfolgreich im Einsatz. 

In der Rubrik „Branche der Ideen“ stellen wir Ihnen regelmäßig Innovationen der deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie vor.