KW 40/2018

Gesellschaftlicher Nutzen

Durchbruch: Unsichtbare Überwachung des Luftraums

Das Passivradar TwInvis von Hensoldt im Einsatz
Das Passivradar TwInvis von Hensoldt im Einsatz
Fällt der Begriff Radar, hat jeder sofort die gleichen Bilder vor Augen: Große Radarschüsseln, eine blinkende runde Anzeige, ein monotones Piepen. Seit den 1930er Jahren ist Radar die wichtigste Technologie, um Flugzeuge zu orten. Jetzt tritt das süddeutsche Unternehmen Hensoldt an, die Technologie zu revolutionieren.

Seit Jahrzehnten funktionieren Radargeräte auf die gleiche Weise: Das Radar sendet elektromagnetische Wellen aus. Objekte wie etwa Flugzeuge reflektieren diese als Echo, das vom Radar wiederum erfasst wird. Position und Richtung etwa eines Flugzeuges können so genau bestimmt werden. Auf Flughäfen, während Großveranstaltungen oder sicherheitskritischen Politikgipfeln ist die Radartechnologie das zentrale Instrument, um den Verkehr zu steuern und den Luftraum zu überwachen.

Es geht auch ohne Strahlung

Das von Hensoldt neu entwickelte Passivradar mit dem Namen TwInvis ändert diese Funktionsweise grundlegend. Anstatt eigene Signale auszusenden, nutzt es die Signalechos bereits vorhandener Fremd-Sender. Das können etwa Rundfunk- oder Fernsehsender sein, deren Wellen ebenfalls von Flugzeugen reflektiert werden. TwInvis erfasst diese reflektierten Signale und ortet Flugzeuge entsprechend. Dabei verarbeitet das Passivradar Signalechos, die Milliarden Mal schwächer sind als die ursprünglichen Signale. Mit einem einzigen TwInvis können so bis zu 200 Flugzeuge in einem Umkreis von 250 Kilometern in 3D überwacht werden.

Einsatzszenarios sind vielfältig

Das neue Passivradar ist deutlich kleiner als bisherige Radaranlagen und kann unkompliziert in ein Geländefahrzeug oder einen Van integriert werden. Da es keine eigene Strahlung sendet, kann es – anders als Aktivradare – auch in urbanen Gebieten eingesetzt werden. Und der Einsatz ist zudem schneller möglich, denn es braucht keine Abstimmung mit Behörden. TwInvis ist daher perfekt für die – auch kurzfristige – Überwachung von Großereignissen wie Fußballspielen oder kritischer Infrastrukturen.

Das Passivradar kann zudem auf Flughäfen bei der Kontrolle des Flugverkehrs die Sensorik der Flugsicherung ergänzen, etwa als Backup. An kleineren und mittleren Flugplätzen, die bislang über kein Primärradar verfügen, ist TwInvis künftig als neues Instrument der Luftraumüberwachung einsetzbar. Und es unterstützt außerdem in Gebieten mit starken Einschränkungen, in denen beispielsweise Bergflanken oder andere Hindernisse die normale Radarstrahlung behindern.

Aber auch im militärischen Bereich eröffnet TwInvis neue Möglichkeiten. So können in Gebieten mit geringer Senderdichte mehrere getrennt voneinander aufgestellte Geräte gemeinsam arbeiten. Da die fehlende Strahlung das Radar praktisch unsichtbar macht, kann es von Gegnern weder entdeckt noch gestört werden.

Weltweit führende Technologie made in Germany

Die TwInvis zugrundeliegende Technologie wird seit mehr als 15 Jahren weltweit erforscht. Hensoldt ist nun mit TwInvis der Durchbruch gelungen. Ein Demonstrator des Passivradars wurden im April 2018 auf der ILA Berlin erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt und im Live-Betrieb gezeigt. Mehrere Millionen Euro Eigenmittel hat das Unternehmen in die Entwicklung investiert und Studien unter anderem gemeinsam mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie durchgeführt. Die Innovation ist ein weiterer eindrucksvoller Beweis, welche globalen Durchbrüche die Luftfahrtforschung in Deutschland erzielen kann.