Digitale Bauanleitung für die Ariane-Rakete

Die Oberstufe sitzt an der obersten Spitze einer Trägerrakete. Sie wird nach dem Start im Orbit von der Zentralstufe getrennt und befördert Satelliten in ihre Umlaufbahn. Die ArianeGroup baut in Bremen die Oberstufen für die Ariane 5 und 6 zusammen, im Fachjargon heißt das Integration. Dabei werden sämtliche Großkomponenten und Kleinbauteile – etwa Tanks, das Triebwerk, die äußere Hülle sowie Elektrokomponenten und Rohleitungen – zu einer fertigen Oberstufe, dem sogenannten Upper Composite, zusammengesetzt.
Der Prozess ist höchst komplex. Die Integration einer einzigen Ariane 5 Oberstufe dauert – sofern keine Störungen auftreten – im Schnitt drei Monate. Insgesamt sind bis zu 60 Mitarbeiter daran beteiligt. Sechs Ariane 5 Oberstufen baut die ArianeGroup im Jahr, stets wird parallel an drei Modellen gearbeitet.
Komplexität digitalisieren
Bislang herrscht dabei die Papierform vor. Das heißt: Die Mechaniker und Qualitätsinspektoren bekommen zu Beginn eines Arbeitstages die anstehenden Arbeitsschritte ausgedruckt bereit gestellt. Ideal ist das nicht. So ist es etwa wenig komfortabel, mit den Papieren in dem mit 5,40 Meter Durchmesser sehr kleinen Bauraum der Ariane-5-Oberstufe zu hantieren.
Im Projekt Future Launcher Integration Concept, kurz FLIC, erforscht die ArianeGroup digitale Prozesse für die Integration der neuen Ariane 6 Oberstufe. Anstatt gedruckter Unterlagen sollen Mitarbeiter zukünftig alle wichtigen Informationen digital auf einem Tablet oder einer Datenbrille erhalten. Auch smarte Monitore an festen Arbeitsplätzen sind angedacht, an denen Mitarbeiter jederzeit alle Daten abrufen können.
Weltweit einzigartig
Ein besonderer Clou des Projektes und weltweit bislang einzigartig sind sogenannte intelligente Netzpläne: Das System überwacht die streng vorgegebene Abfolge der Arbeitsschritte und prüft, welcher Mitarbeiter an welcher Stelle am besten eingesetzt werden kann. Stockt ein Arbeitsprozess, errechnet das System automatisch, wo der betreffende Mechaniker am effizientesten weiterarbeiten kann – und berücksichtigt dabei beispielsweise auch, ob die dafür nötigen Materialien vorhanden sind. Bislang muss diese Entscheidung vom Teamleiter anhand gedruckter Ablaufpläne eruiert und getroffen werden. Der Effizienzgewinn ist erheblich.
Keine Einbahnstraße
Die im Projekt FLIC entwickelten digitalen Technologien erleichtern zudem die komplexe und aufwendige Dokumentation: So müssen Mitarbeiter während ihrer Arbeit genau festhalten, welche Bauteile sie wo und wie verbaut haben. Künftig werden diese Daten per Tablet oder Datenbrille digital erfasst. Das spart Zeit und senkt die Fehleranfälligkeit. Auch Übergaben werden einfacher und digital. Klebt beispielsweise ein Mitarbeiter in seiner Schicht ein Teil, kann er elektronisch hinterlegen, wie lange die Klebung trocknen muss. Der Kollege in der nächsten Schicht kann diese Notiz lesen und weiß, wann er an dem Bauteil weiterarbeiten kann.
Demonstrator im Einsatz, Industrialisierung im Blick
Das Projekt FLIC läuft seit 2016 und wird im April 2019 abgeschlossen sein. Entstanden sind dabei ein Demonstrator sowie eine Software, um die digitalen Prozesse auf den elektronischen Endgeräten wie Tablet oder Datenbrille anzuzeigen. Bis 2023 soll das System industrietauglich sein, das heißt, die Oberstufen der zukünftigen Ariane 6 werden serienmäßig mithilfe der digitalen Arbeitsprozesse gebaut. Die Ariane 6 soll 2020 erstmals starten und bis 2023 voll operativ im Einsatz sein.
FLIC ist Teil eines größeren Forschungsprojektes, in dem neue Technologien für die Ariane Oberstufe entwickelt werden. Das Projekt wird anteilig vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) finanziert. Neben dem DLR arbeitet die ArianeGroup dabei auch mit den Hochschulen Bremen und Wismar zusammen.