Das elektrischere Flugzeug

Während rein elektrisch betriebene Flugzeuge wie der E-Fan der Airbus Group oder die Weltumrundung der Solar Impulse die Schlagzeilen bestimmen, arbeiten Entwickler in Deutschland mit Hochdruck daran, einzelne Baugruppen von gängigen Flugzeugen zu elektrifizieren und Flugzeuge so Schritt für Schritt noch effizienter zu machen. Das Konzept heißt "More Electric Aircraft" – das elektrischere Flugzeug.
Die Liebherr-Aerospace Lindenberg GmbH in Lindenberg im Allgäu hat sich dabei des Bugfahrwerks eines Mittelstreckenflugzeugs angenommen. Als Bugfahrwerk werden die vorderen Räder und deren Aufhängung, die vor der Landung vorne am Flugzeug herausgefahren werden, bezeichnet.
Liebherr ist weltweit einer der führenden Entwickler, Hersteller und Betreuer von Fahrwerkssystemen, die in der Luftfahrt eine zentrale Rolle spielen: Sie ermöglichen das Rollen auf dem Flughafen zum Start und auch nach der Landung. Sie verfügen u.a. über Stoßdämpfer für die Landung und Bremsen für das Rollen am Boden. Kurz: Fahrwerke sind für das Fliegen unerlässlich.
„Bei konventionellen Fahrwerkssystemen erfolgt die Energieversorgung über eine Verbindung zum zentralen Hydrauliksystem des Flugzeugs. Der darin vorhandene konstante Hydraulikdruck wird zum Ein- und Ausfahren sowie zum Lenken genutzt“, so Ingrid Kirchmann, Ingenieurin bei Liebherr-Aerospace.
Da sich Bugfahrwerk und zentrales Hydrauliksystem in unterschiedlichen Teilen des Flugzeugs befinden, müssen sie über lange Leitungen miteinander verbunden werden. Diese Architektur führt unweigerlich zu einem relativ hohen Gewicht und zu Energieverlusten in der Hydraulikversorgung.
Genau hier setzt Liebherr an. Im Forschungsprojekt ESTER, das im Rahmen des von der EU geförderten Forschungsprojekts "Clean Sky 2" durchgeführt wird, werden elektro-hydraulische Antriebe speziell für das Bugfahrwerk von Mittelstreckenflugzeugen entwickelt.
Das Innovative ist das Zusammenspiel der beiden Funktionen Bugradlenkung sowie die Betätigung für das Ein- und Ausfahren. „Durch diese Kombination lassen sich hydraulische Komponenten einsparen und das Gesamtkonzept vereinfachen. Unser Ziel ist dabei letztlich, leichtere und effizientere Flugzeuge zu bauen“, sagt Ingrid Kirchmann.
Das neuartige System baut auf eine dezentrale Hydraulikversorgung direkt am Bugfahrwerk auf. Die hydraulische Energie wird nun dort erzeugt, wo sie benötigt wird: direkt am Fahrwerk. Als Energiequelle dient das elektrische Versorgungssystem des Flugzeugs.
Zusätzlich zu den Arbeiten am Projekt ESTER hat Ingrid Kirchmann begonnen, an einer Promotion zu arbeiten. Dabei geht es passenderweise um Fragen rund um die Anwendung von elektro-hydraulischen Antrieben in der Luftfahrt. Und die Arbeit bei Liebherr geht weiter. Das innovative System Made in Germany ist ein wichtiger Beitrag zum sparsamen „More Electric Aircraft“.
- NoseLandingGearActuation
- (PDF | 85.0 KB)